UNSER SCHUPPIGER BESUCHER
(von Jane Patterson, übersetzt von Bahar (Heike)
Suseven)
Zeit: 16.00 Uhr, Montag, 14. Juli
2008 Ort: Göktur Sitesi, AKYAKA
Vier Leute stehen auf dem Rasen neben dem Garten meiner deutschen
Nachbarin.
‘Kannst
Du mal kommen und Dir was angucken?’ Ich trete zu ihnen und da im
Passionsblumengesträuch sitzt ein halbmeterlanges Reptil. (Haben sie
mich wohl gefragt weil ich so lange in Afrika gelebt habe frage ich
mich ) … ich meine, das ist auf jeden Fall ein wildes Tier ABER
WELCHES?
‘Es hat meinen Hibiskus gefressen…,’ berichtet mir Doris, eine
passionierte Gärtnerin.
‘Ist das ein Chamäleon?’ fragt Ali, der die Wohnung über mir hat.
(Das hier ist viel grösser und Chamäleons haben auch keine spitzen
Stacheln auf dem Rücken – und auch nicht so einen ledrigen Bart, der
aussieht aus könnte er aufgeblasen werden …. Ist das vielleicht so
eine Art Waran? sinniere ich)
‘Ich weiss, wen ich fragen kann’ fällt mir ein … und rufe Heike auf
ihrem Handy an. Sie fragt mich, ob es so ähnlich wie ein kleiner
Dinosaurier aussieht …. Mmm … schon irgendwie – aber auch nicht
ganz….
‘Ich komme,’ sagt sie und 5 Minuten drauf ist sie mit Thomas hier –
jetzt sollten wir doch was genaueres erfahren.
Wir sind uns alle einig, dass das kein einheimisches türkisches Tier
ist und gucken in Google nach, 5 Minuten später wissen wir dann,
dass das ein kleiner Leguan ist (Iguana auf Englisch), dass er
Pflanzen frisst, nicht angriffslustig und seine einzige Methode zur
Selbstverteidigung ist, seinen Schwanz als Peitsche zu benutzen.
(Ich hatte meine Katze schon eingeschlossen, während wir versuchten
das alles ‘rauszufinden– Cleo ist bekannt für ihre Kühnheit and
Neugier) Leguane können bis 2.5 m lang werden, werden aber in
Gefangenschaft selten länger als 1.5m.
Heike hat sich schon Hals über Kopf in das Vieh verliebt, während
Thomas seine Zweifel hat, wenn er an eine Zukunft mit Leguan denkt!
Thomas erzählt uns, dass Leguane als Haustiere gehalten werden und
vermutet, dass vielleicht ein Urlauber beschlossen hat, diesen hier
in Akyaka ‘abzuladen’, weil er zu gross geworden ist um ihn wieder
mit nach Hause zunehmen. Seine Theorie ist nicht schlecht, jedes
Jahr begleitet eine Anzahl Haustiere ihre Besitzer aus Izmir oder
Istanbul oder Ankara hierher in den Urlaub und wenn die Leute dann
sehen, dass es unseren Starssenhunden so gut geht, wird ihr eigenes
Tier nicht mehr für die Rückfahrt nach Hause eingeplant.
Könnte
Thomas recht haben – hat einer den Leguan einfach hiergelassen – ist
das Akyaka’s ERSTES STRASSENREPTIL? Eine grosse Schildkröte tummelt
sich gerade auf dem Rasen – hmmm hat die etwa auch jemand hier
abgeladen?
Die Nachbarn von oben sind gerade gegangen, dafür ist ‘Hunde-
Yasemin’ auf dem Weg hierher, auch sie nach einem Anruf – sie hat
sicher auch ein paar Ideen.
Kurz bevor sie ankommt, versuchen wir noch mal näher in die
Schlingpflanzen zu spähen, wo es sich versteckt hat, was dazu führt,
dass es den Kurs ändert und sich mit erstaunlicher Geschwindigkeit
auf die Palme rettet, was wir mit grossen Bedenken sehen, weil wir
alle schon an die zukünftigen Fangversuche denken.
In der nächsten halben Stunde erwägen wir die verschiedenen
Möglichkeiten…
1 Heike könnte es mit heim nehmen ….
2 Wir könnten ein geeignetes Habitat finden…
3 Die Belediye könnte es ausrufen und vielleicht würde sich der
vermeintliche Eigentümer melden…
Eigentlich
ist aber nur die 2. Möglichkeit realistisch, wir sind uns alle
einig, dass es nicht optimal wäre, es hier in der ‚site’ während der
Ferienzeit zu lassen. Letztes Jahr hat der Enkel eines Nachbarn eine
kleine Schlange gefunden und innerhalb von Tagen hatte der Gärtner
die ganze Anlage vergiftet. Das einzige Opfer dieser Aktion war eine
grosse getigerte Katze, die anfing durch ihr Fell zu bluten und ihr
Ende als blutige Masse auf meinem Balkon fand…. Ein neues Habitat
ist da doch viel besser.
Letztendlich ruft Yasemin Hasan an, den Tierarzt aus Kozlukuyu und
10 Minuten ist er da in seinem grünen Outfit, zusammen mit Salda in
fleckenlosem Weiss. Unser Leguan- Freund ist mittlerweile mit
Sonnenbaden beschäftigt und hat sich gemütlich auf einem Palmwedel
drapiert- seiner ‚Sonnenliege’!
Wir überlegen währenddessen, wie wir ihn wohl fangen können und
versuchen zugleich etwas Passendes für den Transport zu finden.
Irgendwie hat aber unser reptiler Freund Wind von unseren Absichten
gekriegt und lässt sich aus der Palme auf den Zitronenbaum darunter
fallen. Der erste Sack, in den wir ihn stecken ist nicht gross genug
und er entwischt in Windeseile durch eine kleine Öffnung. Er lässt
sich dann auf Doris’ Balkon häuslich nieder. Yasemin rennt davon um
eine Katzenkiste zu holen… Hasan hatte die Idee einen Freund
anzurufen, der schon ein paar seltsame Tiere hat und der vielleicht
in der Lage ist, unser faszinierendes Reptil aufzunehmen. Thomas
findet einen gübre Sack und Heike und Hasan versuchen’s noch mal.
Der Leguan erprobt seine Peitschenfähigkeiten an Heike aus, als sie
ihn packt (glücklicherweise ist es nicht schlimm), dadurch können
wir aber sehen, dass ihm ein Vorderbein fehlt und dass es säuberlich
amputiert worden ist, er MUSS also einen Besitzer haben…oder gehabt
haben….
Wir gehen alle Richtung Strasse auf dem Gartenweg. Hasan hält den
leeren Dünger Sack mit einer Hand und telefoniert dabei mit seinem Freund,
der den Leguan übernehmen soll. Er versucht ihm zu erklären, dass
wir einen Leguan haben usw. usw. … und an dieser Stelle betritt ein
weiterer Nachbar die Bühne.
Der junge Mann, der die ganze Zeit, in der wir mit unserer
Reptilienjagd beschäftigt waren, völlig ins Saubermachen und
Instandsetzen seiner Surfsegel vertieft war, die er im Schatten
hinterm Haus ausgebreitet hatte, ist neu in unserer ‘site’ und wir
haben noch nie miteinander geredet. Er sieht von seiner Arbeit auf,
sieht unsere kleine Mannschaft von Akyaka Hayvan Sevenler (3.5
Deutsche, 1 Britin und 2.5 Türken) und hat offensichtlich gehört,
was Hasan gerade sagte…
‘Halt, halt – Ihr habt einen Leguan gefunden? …. Das ist meiner,’
schreit er.
Verblüfft
halten wir inne. Hasan und Thomas sind auf der Hut – der Leguan ist
wertvoll, hat dieser junge Mann uns beobachtet und belauscht? Da
brauchen wir doch mehr Eigentumsnachweise!
Thomas reagiert blitzschnell und fragt, ‘Wie viele Beine hat Dein
Leguan?’
‘Drei,’ sagt Serdar Bey, wir gucken uns verblüfft an und brechen in
schallendes Gelächter aus. Anderthalb Stunden diskutieren wir die
Herkunft, das Wie und Woher unseres Fundes und wie wir ihn am Besten
beschützen können und die ganze Zeit über ist sein Besitzer, seine
Surfsegel flickend, nur 20m weg von uns!
Serdar klärt uns auf, dass sein Leguan bei gutem Wetter auf dem
oberen Balkon und sonst im Haus lebt (weiss das der Hausbesitzer?)
und noch nie ausgebrochen ist!
So geht jeder nach Hause, Heike mit gebrochenem Herzen, Thomas
erleichtert und ich frage mich, ob ich meinen schuppigen Nachbarn
wohl noch mal beim Sonnenbad auf den Palmwedeln sehen werde?
Thomas hatte Recht – der Leguan HATTE tatsächlich einen Besitzer!
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