Aus einer WDR-Sendung
vom 29. September 2002 ?er das Tierheimprojekt in Fethiye
Strassenhunde in Fethiye (Türkei)
Von Richard Hofer
Das Grundproblem:
Strassenhunde sind in der Türkei ein altes, bisher noch immer
ungelöstes Problem. Die Mehrzahl der Türken sehen in ihnen wilde,
gefährliche Tiere, die Kinder jagen, beißen und Krankheiten
übertragen. Der türkische Gesundheitsminister hat nach Angaben von
türkischen Tierschützern angeblich die Devise ausgegeben, alle
Hunde töten zu lassen, die keinen Besitzer haben.
Offiziell plant die Regierung ein verbessertes Tierschutzgesetz,
das aber immer wieder blockiert wird. Viele Straßenhunde leben,
sofern sie nicht erschossen, vergiftet oder an einsamen Orten
ausgesetzt werden, in Tierheimen. Die sind oft miserabel
ausgestattet, für die Hunde finden sich nur selten neue Besitzer.
Das Projekt in Fethiye
Ganz andere Wege geht die Stadt Fethiye, ein beliebter
Touristenort an der Lykischen Küste. Vor allem auf Initiative des
Bürgermeisters ließ die Gemeinde auf einem 43 Hektar großen
Gelände ein Tierheim errichten. Ziel war es, zunächst eine
Auffangstation für die herrenlosen Hunde zu errichten.
Doch Perihan Agnelli, die Leiterin des Tierheims, entwickelte ein
langfristiges Konzept, das die Situation der Straßenhunde
langfristig verbessern soll: Die Hunde werden im Tierheim zunächst
gegen Zecken und Flöhe behandelt und medizinisch versorgt. Kranke
Hunde werden in einer wenn auch etwas beengten Quarantänestation
gepflegt, damit sie die gesunden Hunde im Tierheim nicht anstecken
können. Danach werden alle Hunde kastriert. Sie bekommen eine
Ohrmarke und werden an ihren angestammten Platz zurückgebracht.
Das hat mehrere Effekte:
Straßenhunde können sich nicht länger
vermehren.
Auch ein kastriertes Tier verteidigt sein Revier gegen neue Hunde.
Die Bürger erkennen an der Ohrenmarke, daß es sich um ein
gesundes, kastriertes Tier handelt; somit wird bei der Bevölkerung
die Akzeptanz von Straßenhunden insgesamt verbessert.
Hinzu kommt, daß kastrierte Hunde weniger aggressiv sind und
dadurch auf weniger Ablehnung bei der Bevölkerung stoßen, die in
der Türkei Hunden gegenüber prinzipiell eher negativ
gegenübersteht.
Die Hunde werden von den Mitarbeitern des Tierheims, der örtlichen
Bürgerpolizei oder von Privatleuten zur Kastration ins Tierheim
gebracht. Privatleute bekommen pro abgegebenem Hund eine
Fangprämie von rund 2 Euro. Jedes Jahr wechselt die Farbe der
Ohrmarke, so daß insbesondere die Bürgerpolizei weiß, wann die
Hunde zu einer Impfauffrischung ins Tierheim zurückgebracht werden
sollten.
Inzwischen sind fast alle Straßenhunde in Fethiye kastriert.
Vereinzelte Vorwürfe beziehungsweise Unterstellungen deutscher
Tierschützer, die Hunde würden im Tierheim getötet und gar nicht
mehr auf den Straßen von Fethiye auftauchen, sind nach unseren
Recherchen unbegründet; wir haben in Fethiye jede Menge
kastrierter Hunde mit Ohrmarke gesehen.
Mobile Tierklinik
Um den Aktionsradius zu vergrößern und zahlreichen Bitten jenseits
von Fethiye entsprechen zu können, wurde im Frühjahr ein Bus mit
integriertem Operationstisch gekauft. Diese mobile Tierklinik
führt seitdem auch in entfernter gelegene Dörfer, um die Hunde zu
kastrieren. Soweit die Hunde gesund sind, werden sie nach einer
rund zweistündigen Aufwachphase an Ort und Stelle wieder
ausgesetzt.
Um dies medizinisch verantworten zu können, achten die Tierärzte
auf zwei Dinge: Zum einen wird, ganz im Gegensatz zu sonst
?üblichen Operationsmethoden in der Türkei, der Operationsschnitt
möglichst klein gehalten. Zum anderen wird die Wunde unter der
Haut vernäht, so daß der Hund den Faden nicht aufbeißen oder
weglecken kann. Auch Katzen werden hin und wieder nach der
gleichen Methode kastriert, sowohl in der mobilen Klinik wie auch
im Tierheim in Fethiye.
Auch Rassehunde werden kastriert. Tierheimleiterin Agnelli lehnt
die Unterscheidung zwischen guten Rassehunden und minderwertigen
Straßenhunden ab. Sie wehrt sich prinzipiell
gegen Hundezucht angesichts der Massen von herrenlosen Hunden.
Schließlich gebe es genügend Straßenhunde, die liebebedürftig sind
und sich nach einem Besitzer sehnen.
Besucherprogramm
Grundsätzlich kann jeder das Tierheim in Fethiye besuchen.
Insbesondere Schulklassen werden gezielt eingeladen. Gerade
Kindern soll die Angst vor Hunden genommen werden, dabei sollen
sie auch etwas über den richtigen Umgang mit Hunden lernen. Auf
dem riesigen Areal, das nur zu einem Teil für die Hunde eingezäunt
wurde, plant Perihan Agnelli ein Informations- und
Ausbildungszentrum. Doch das scheitert bislang an Geld und
Personal.
Finanzierung
Finanziert wird das gesamte Projekt, dessen laufende Kosten nach
Angaben der Tierheimleiterin allein 5.000 Euro im Monat betragen,
durch Privatleute und zahlreiche Hilfsorganisationen wie dem
schweizerischen Marching Animal Welfare Trust, IFAW
(Internationale Tierschutz-Fonds), RSPCA International und
Stichting Buitenlandse Aseilen aus Holland. Die Münchener Tierhilfe
Süden unterstützte das Projekt 2001 mit 34.000 Mark,
finanzierte in diesem Jahr einen mehrwöchigen Aufenthalt einer
Praktikantin aus Sofia und zahlt gegenwärtig für die beiden
Tierärzte jeweils 1.000 Euro im Monat. Wichtige Garanten für das
Gelingen des Projekts sind weitere freiwillige Helfer und
Tierärzte sowie nicht zuletzt das persönliche und auch erhebliche
finanzielle Engagement der Tierheimleiterin Perihan Agnelli.
Kontaktadresse:
Fethiye Hayvan Dostlari Dernegi
Perihan Agnelli
Degirmenbasi
Fethiye
Türkei
Relief center and Kennels:
Tel. 00 90 (5 32) 3 16 27 27
Tel./Fax 00 90 (2 52) 6 12 57 30
E-Mail: ragnelli@superonline.com
Das Straßenhundprojekt von Fethiye macht Schule. Das Tierheim in
Mugla arbeitet inzwischen nach den gleichen Prinzipien wie in
Fethiye; in Dalaman ist ein entsprechendes Projekt in der Planung.
Im zentralanatolischen Küthaya leben circa 700 Hunde in einem
Tierheim unter erbärmlichen Bedingungen. Perihan Agnelli hat nach
einem Besuch in Küthaya Kontakt zum örtlichen Bürgermeister
aufgenommen. Ab Oktober soll ihren Angaben zufolge dort ein
Kastrationsprogramm beginnen, auch mit finanzieller Hilfe aus
Fethiye.
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